Zu Anfang des 14. Jahrhunderts lebte im Dorfe
Reutenhau ein Revierjäger namens Franz Niewall, der in gräfl.
Zierotins'schem Dienst stand. Dieser ging eines Tages, wie es der Beruf
mit sich brachte, auf die Jagd, wo er auf einen Hirschen stieß, den er
bis zur Stelle, wo das heutige Kirch lein steht, verfolgte, und dort
ihm glückte, ihn zu erlegen. Die Sage erzählt: Franz Niewall habe den
geschossenen Hirschen, um ihn zweckmäßiger ausweiden zu kön nen,
unterhalb der dort befindlichen Quelle der Länge nach ausgestreckt und
ihm eine solche Richtung und Lage gegeben, daß ein Teil des Wassers der
besagten Quelle dem selben in den Rachen floss. Der Hirsch soll,
nachdem der Förster ihm schon den ersten Schnitt versetzt, plötzlich
aufgesprungen, davon gejagt und ungeachtet aller Mühe, nie wieder
gesehen worden sein. Man sagt: jenes Wasser, dem man am heutigen Tage
noch eine heilende Kraft zuschreibt, soll den Hirschen von seinen
empfangenen Wunden gänzlich geheilt haben.
Nach einigen Jahren wurde Franz Niewall von Reutenhau nach Brandeis in
Böhmen versetzt, wo nach einiger Zeit der Aussatz um sich griff, so daß
in und um Brandeis viele Menschen von demselben befallen wurden. Auch
unsere Försterfamilie blieb davon nicht verschont. Obgleich ärztliche
Hilfe angewendet wurde, so konnte dem Uebel nicht gesteuert werden. In
einer Nacht träumte dem Förster: wenn er und seine Familie wieder
gesund werden will, so müsse er auf das nordmährische Gebirge dorthin
reisen, wo er ehemals nach dem Hirschen geschossen, und sich mit dem
heiligen Quellwasser waschen. Er eröffnete diesen Traum frühmorgens
seiner Frau, die aber nichts darauf hielt. Allein, der Traum
wiederholte sich öfters, sodaß Franz Niewall des festen Glaubens wurde,
nur dadurch wieder das schmerzliche Uebel los zu werden, wenn er dem
Traume Folge leistete. Auf Zureden willigte auch die Frau des Försters
ein und alle reisten auf die nordmährische Gebirgskoppe, auf die
"Brünnlheide". Im Vertrauen auf Gottes Hilfe fing der Jäger an seinem
eigenen Leibe die Waschungen mit dem frischen Quellwasser an und sein
Vertrauen war nicht vergebens: mit dem Wasser streifte er den Aussatz
von seinem Leibe gänzlich ab, sodaß er und seine Familie, die seinem
Beispiele folgte, in Kürze von dem drückenden Uebel befreit war. Aus
Dankbarkeit gegen Gott für diese erwiesene Wohltat ließ Franz Niewall
zum Andenken auf Ahornholz das Bildnis des Erlösers mit den fünf Wunden
anfertigen u. heftete dasselbe an eine von ihm aufgemauerte Säule an.
Weil in späteren Jahren mehrere Menschen ihre Zuflucht in Bedrängnissen
zu diesem Orte nehmen, so ließ der spätere Besitzer Fürst
Liechtenstein, Herr und Besitzer von Groß-Ullersdorf, in dessen Domäne
die "Brünnlheide" gelegen ist, daselbst eine Kapelle erbauen und
darinnen das Bild aufstellen, so auch die Quelle fassen und einhausen.
Als unter der Regierung Kaiser Josef II. die Klöster aufgehoben,
Wallfahrtskirchen und Kapellen gesperrt wurden, brachten der in
Winkelsdorf wohnende Waldheger Wolf, sein Sohn Franz und Waldheger
Balthasar Wanke nachts das von Franz Niewall gestiftete Bild nach
Winkelsdorf, wo es in der Wohnung Wolfs aufbewahrt, später aber in die
Groß-Ullersdorfer Pfarrkirche übertragen wurde, wo es noch heute auf
der linken Seite gegenüber dem Hochaltar aufgestellt ist. Um das Jahr
1800 kam ein gewisser Wenzel Löckel aus Winkelsdorf zu der bereits 15
Jahre wüststehenden Kapelle auf der "Brünnlheide" und faßte den
Entschluß, im Falle er von der Obrigkeit die Bewilligung erhalte, diese
dem gänzlichen Verfall nahe Kapelle auf eigene Kosten neu zu errichten.
Durch die Vermittlung des Oberjägers Schramek erhielt er bald die
nachgesuchte Erlaubnis. Löckel schritt sogleich zur Ausführung seines
Planes und mit Hilfe des Häuslers und Schuhmachers Franz Rotter aus
Reutenhau baute er die Kapelle von neuem auf und stellte das Bildnis
der schmerzhaften Muttergottes (vom Maler Heisig aus Goldenstein
gemalt) im Inneren des Kirchleins auf. Es mehrten sich von Jahr zu Jahr
die Wallfahrer und Touristen derart, daß die Räume der Kapelle zu klein
wurden. Auch war die aus Holz erbaute Kapelle durch den
Witterungseinfluß vieler Jahre wieder schadhaft geworden und es stellte
sich das Bedürfnis heraus, dieselbe abermals neu und in größerem
Umfange zu errichten. Durch milde Opfergaben der Wallfahrer, welche der
Kapellendiener Thaddeus Schmidt monatlich der Herrschaft ablieferte,
konnte endlich im Jahre 1844 zum Neubau geschritten werden. Im Jahre
1850 war der Bau beendet und wurde am 22. Juli desselben Jahres vom
Wiesenberger Pfarrer Thaddeus Thiel zu Ehren der schmerzhaften Mutter
Gottes eingeweiht. Das jetzige Altarbild wurde vom damaligen
Domänenbesitzer, Herrn Franz Klein-Wiesenberg, der Kapelle geschenkt
und aufgestellt. Wieder wurde die Kapelle im Laufe der Jahre schadhaft,
sie wurde nach dem ersten Weltkriege im Jahre 1924 abgetragen und im
folgenden Jahre nach den Plänen des Architekten Karl Seidl aus Wien,
dank der Opferwilligkeit des Fürsten Alois von und zu
Liechtenstein-Groß-Ullersdorf, des Barons Franz Klein -Wiesenberg, der
fürsterzbischöfl. Konventdirektion Breslau, des Hoch-und
Deutschmeister-Ordens Karlsbrunn, des Sud.-Geb.-Vereins u. vieler
kleinerer Spender aus Nordmähren und Schlesien aus Holz neu gebaut und
vom Hochmeister des Hoch- und Deutschmeister-Ordens, Bischof
Klein, eingeweiht. An diesem Tage war eine unabsehbare Menschenmenge
Zeuge des freudigen Ereignisses. Grund und Boden, worauf die Kapelle,
der Kreuzweg sowie das Schutzhaus steht, wurden durch das
Entgegenkommen des Prinzen von und zu Liechtenstein der Pfarre
Wiesenberg verkauft. So ist nun der jeweilige Pfarrer von Wiesenberg
Betreuer eines der schönsten Punkte unseres unvergeßlichen, herrlichen
Altvatergebirges.