Aus:
Zeitschrift "Altvater", Nr. 3, Juni 1992
Die Sektion Mähr.-Altstadt wurde -genau wie der
Hauptverein mit Sitz in Freiwaldau -im Jahre 1881 gegründet. Schon 1780
hatte der damalige Bürgermeister Strohm den Kaiser des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation -Josef II -auf den Berg geführt.
1884 errichtete der Zweigverein Mährisch-Altstadt eine hölzerne
Aussichtspyramide, die jedoch bald den Stürmen zum Opfer fiel. Auf dem
Gipfel trafen die Grenzen des Königreichs Böhmen, der Markgrafschaft
Mähren und der Grafschaft Glatz zusammen. Der Grenzstein steht heute
noch. Hermann Buhl, seit Gründung des MSSGV Obmann des Zweigvereins
Mährisch-Altstadt, wurde 1894 zum Bürgermeister von Mährisch-Altstadt
gewählt Als eifriger und trainierter Bergwanderer trieb er nun die
touristische Erschließung der heimatlichen Bergwelt voran. Nur der
Anschluß an das Eisenbahnnetz konnte den Fremdenverkehr in den
Altstädter Kessel lenken. Am 4. Oktober 1905 erreichte er das erste
Ziel mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Hannsdorf
-Mährisch-Altstadt. Schon 1906 besuchte Erzherzog Ferdinand den Ort und
bestieg mit Bürgermeister Buhl den Schneeberg.
Zwischenzeitlich hatte der Glatzer Gebirgsverein
-ebenfalls 1881 gegründet -die Pläne für den Bau des
"Kaiser-Wilhelm-Turmes" auf dem Gipfel fertig, 50 m von der Grenze
entfernt wurde unter Baumeister Emil Gießer, Glatz, am 17.Juni 1895 mit
den Bauarbeiten begonnen. Wegen der Höhenlage und damit verbundenen
eisigen Witterung konnten im Jahr nur 69-88 Bautage genutzt werden. Mit
einem Festakt, an dem auch s. Königl. Hoheit, Prinz Albert von Preußen
teilnahm, wurde am 9. Juli 1899 Eröffnung gefeiert. Auch Obmann Buhl
aus Mährisch-Altstadt nahm mit einer großen Anzahl von
Vereinsmitgliedern aus mehreren Sektionen daran teil.
Natürlich wurde nun der Wunsch, in Gipfelnähe ein
eigenes Werk zu errichten, immer drängender. Im Jahr 1906 fand unter
der Leitung von Notar Dr. Bulla, Freiwaldau, eine Begehung der in Frage
kommenden Plätze für ein Schutzhaus statt. Auf Betreiben des in
Alpinistenkreisen gut bekannten Altstädters Gustav Baldermann wurde ein
Platz in 1375 m Höhe auf dem Südrücken am Weg zur Marchquelle
festgelegt. Im Sommer weite Rundumsichten, im Winter
Abfahrtsmöglichkeiten von Weihnachten bis Ostern und die Möglichkeit
für "Reichsdeutsche" schnell von der Schneeberg-Schweizerei auf der
anderen Bergseite herüberzukommen, war für den Platz ausschlaggebend.
(Der Kaiser-Wilhelm-Turm blieb im Winter geschlossen).
Am 4.10.1908 wurde unter Baumeister Winter aus Mährisch-Altstadt der
Grundstein gelegt, nachdem die Bauplatzgenehmigung und die
Finanzierungsfrage geklärt war. Herr Jürgen Schölzel aus der Grafschaft
Glatz, ein passionierter Bergfreund mit besonderer Liebe zum
Schneeberg, hat in diffiziler Kleinarbeit die folgenden Daten
zusammengetragen und im "Grafschafter Boten" 7/8 von 1972
veröffentlicht:
... In der handschriftlichen Chronik des Reviers Stubenseifen, die
heute noch im dortigen Forstamt aufbewahrt wird, lesen wir: "Über
Ansuchen der Sektion Mährisch-Altstadt bei Seiner Durchlaucht (dem
Grundherrn Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein) wurde ihr in
gnädigster Weise die Überlassung des Bauplatzes, ferner die Benutzung
der Marchquelle sowie die zum Bau nötigen Steine huldvollst und
kostenlos bewilligt. Die Benutzung des Bauplatzes aber auf die Dauer
von 50 fahren mit einem Anerkennungszins von jährlich 5 Kronen. Über
weiteres Ansuchen der Sektion um Subventionierung des Schutzhausbaues
haben Seine Durchlaucht, durch wohlwollende Fürsprache des Herrn
Oberforstrates Wiehl, der Sektion das ganze hierzu erforderliche
Bau-und Schnittholz im Wert von 22 000 Kronen in munifizentester Weise
gnädigst zu schenken geruht. Ferner haben seine
Durchlaucht höchst gnädigst bewilligt, daß das Schutzhaus den Namen "Fürst-Johann-Liechtenstein-Schutzhaus" führen dürfe".
Gnädig, gnädig muß man schon sagen, und doch gab
es noch Schwierigkeiten genug. Finanzielle und technische. Die
Wegeverhältnisse waren katastrophal, Trägerlöhne und Zufuhrkosten
überstiegen weit den Voranschlag; der Bau kam ins Stocken; mehrere
Bauobleute (Baldermann, Winter, Buhl) mußten tief in die eigene Tasche
greifen, sollte das begonnene Werk nicht tödlich gefährdet werden. Man
kennt diese Probleme: Bei der Erbauung des Schneebergturmes durch Emil
Gießer waren sie in ganz ähnlicher Form aufgetreten -aber hier wie beim
Altstädter Schutzhaus schließlich durch Selbstlosigkeit auch gemeistert
worden.
Am 2l. Juli 1912 konnte das Hospiz in einem
großen Festakt eingeweiht werden. Festredner rühmten vor allem seine
Nachbarschaft mit dem Kaiser-Wilhelm-Turm als Sinnbild der Bündnistreue
zwischen den beiden Staaten. Sie rühmten die Opferbereitschaft aller
Beteiligten, die mehr als 80000 Kronen aufgebracht hatten; sie rühmten
namentlich die einzigartige Panoramaaussicht vom Bielengebirge im
Norden über den ganzen Altvaterzug im Osten, das Marchtal im Süden,
Klappersteinzug, Neißetal und Adlergebirge im Westen, während im
Nordwesten unmittelbar hinter dem Hause die riesige grüne Kuppe des
Schneebergs ansteigt; sie rühmten die solide Ausführung der mit
Kalkputz und isolierenden Korkplatten kombinierten Holzkonstruktion.
Man war bei der Bemessung nicht kleinlich verfahren, wie ein Blick auf
den in Privatbesitz erhaltenen Bauplan zeigt: Grundmaß 22 x 12 Meter,
Höhe von Kellersohle bis Dachfirst 14,9 Meter; im Erdgeschoß
Speisesaal, 2 Extrazimmer, Wirtschaftsräume, Wirtswohnung; im l. Stock
11 Schlafzimmer, unterm Dach Mansarden, Kammern und ein Massenlager.
Der Glatzer Berichterstatter betonte: "Jedes Zimmer hat einen
besonderen Eingang und ist durch einen hübschen Kachelofen heizbar."
Wasser lieferte die nahe Marchquelle (1935 Bau eines Quellenhauses mit
5,5 cbm Nutzinhalt) ...
... ein architektonisch wohlproportionierter, wuchtiger, waagrecht
verbretterter Baukörper, der, vom Tal aus gesehen, die Bergkontur
unzweideutig überragt.; straff, einfach und ehrlich gegliedert...
Das neue Haus sah vorerst nur zwei gute Jahre.
Die Kriegsauswirkungen machten die Wirtschaft bald so unrentabel, daß
die erste Pächterin, Frau Pattermann, ihr Pachtverhältnis vorzeitig
löste (obwohl ihr sämtliche Mietzahlungen erlassen wurden). Trotz
Bewachung wurde die Baude nach dem Kriege ausgeraubt (ein zweites Mal
dann 1945). Den Pächter Stanzel (Altstadt) löste 1922 Dr. Oskar
Gutwinski ab, der "Alte vom Berge", ein Pionier des Skilaufs, der durch
Baron Leo von Hauß aus Wien den "Stemmschwung" auf dem Schneeberg
bekannt machen ließ; ein unermüdlicher Werber für die Schönheiten des
Schneegebirges. Er gestaltete das festgefügte Schutzhaus zu einem
vorzüglichen Berghotel um, dem die Reiseführer höchste Prädikate
verliehen: "Vortreffliche Wirtschaft mit Wiener Küche" (Otto 1923),
"komfortables Hospiz" (Dressler 1928), "im Schutzhaus ist jedermann
vorzüglich untergebracht und gut zu Gaste" (Weiser 1930).
Das Liechtensteinschutzhaus wurde die liebevoll und originell
ausgestattete Heimstatt eines Kreises junger Künstler, "die Jescher"
(u.a. die Maler K. Halleger, J. E. Karger, K. Eickhoff, der Grafiker F.
Urban), die zum Symbol ihres Bundes einen weißen Elefanten erkoren und
1932 einen von Hallegers Gattin entworfenen und vom Troppauer Steinmetz
Förster ausgeführten steinernen Elefanten neben dem Hause aufstellten.
Nach der Vertreibung der Deutschen hat diese rätselhafte, weil ihres
Sinnes nun entkleidete Plastik eine lebhafte Legendenbildung bewirkt.
So soll sie das Erinnerungsmonument an den Besuch des holländischen
Königs 1840 sein, errichtet von Fürst Liechtenstein als Pendant zum
Denkmal, das Prinzessin Marianne der Niederlande aus demselben Anlaß
oben auf dem Berg hatte aufstellen lassen. Ein tschechischer Autor
versichert sogar, er habe den Elefanten, allerdings sehr beschädigt,
1888 schon vorgefunden, nach einer anderen tschechischen Version hätten
Maturanten aus Olmütz oder Schönberg ihn bei ihrer Abschiedsfeier 1937
eingeweiht; schließlich wurde er in Verbindung gebracht mit dem Bau
eines von "Mammuts" Panzer befahrbaren Weges auf den Schneeberg
1936 durch tschechische Soldaten, die das von einem Herrn Spacil
gestaltete Denkmal am Wegesende postierten ... (Anmerkung des
Verfassers: Die Angaben stammen von den Söhnen des Herrn Dr. Gutwinski,
die es wohl am besten wissen müssen. 1991 steht das geheimnisvolle
Steintier noch immer auf seinem gemauerten Postament. Letzte Erinnerung
an die hohe Zeit des Schutzhauses unter Dr. Gutwinski, der 1931 starb,
im selben Jahr wie Emil Gießer, der Erbauer des Schneebergturmes).
In den Jahren diente die Baude häufig dem
Breslauer Biologen Prof. Dr. Pax als Stützpunkt für die Erforschung der
Lebewesen des Schneeberges. Wir verdanken diesem unermüdlichen
Gelehrten die Kenntnis vieler überraschender und bewegender Intimitäten
dieses Bergmassivs. Um nur eine zu nennen: Während furchtbare
Januarstürme über die Bergkuppen fegen, von den Kachelöfen der Bauden
das letzte an Leistung verlangend, vollzieht im 1,5 Grad "warmen"
Wasser der Marchquelle der zur Eiszeit hierher verschlagene
Alpenstrudelwurm seine Fortpflanzung. Verborgene und stille Wunder der
Natur dicht neben einem Zentrum behaglicher Gastlichkeit. 1938 fiel die
Grenze, das Liechtensteinhaus gehörte nun zum "Reich"! Der Pächter
Stoppel, der 1936 Frau Adele Gutwinski abgelöst hatte, vermochte deren
hohes gastronomisches Niveau vorerst zu halten. Sein Prospekt warb
besonders für den Winterurlaub. " Und mittendrin in all der weißen
Pracht winkt frohe Rast für Stunden, Tage und frohe Ferienwochen im
Liechtenstein-Schutzhaus. In seinen gemütlichen Räumen, in seinen
netten Zimmerchen, die an Bequemlichkeit auch nichts vermissen lassen,
da ist gut wohnen. Und eine rechte Gemütlichkeit herrscht da oben unter
all den frohgestimmten Wanderfreunden. Das ist ein Frohsinn, Singen,
Lachen!" Doch der Wahnsinnskrieg ließ alle hoffnungsvollen
Entwicklungstriebe einfrieren. Turbulent und den wenigen Beteiligten
für immer einprägsam gestalten sich die letzten deutschen Tage des
Hauses im Mai 1945. Ein Augenzeuge berichtet, zunächst habe trostlose
Einsamkeit geherrscht, aber nach ein paar Tagen seien versprengte
Soldaten und Flüchtlinge von allen Seiten über den Berg geströmt.
Woher? Wohin? Um das Haus ein wüstes Durcheinander -aber das ganze
menschliche Elend vor der Kulisse einer früh und prachtvoll
aufblühenden Natur. Allmähliches Verebben des Flüchtlingsstromes; dann
war Frau Marthe, die letzte Pächterin, allein mit ein paar Vertrauten;
darunter die Köchin aus der verlassenen und geplünderten
Schneeberg-Schweizerei. Schließlich erschienen russische Reiter,
durchsuchten das Haus und wiesen die Bewohner nach Seitenberg. Frau
Marthe durfte bleiben und wurde später von den Tschechen ausgewiesen.
Der neue Staat hatte vorab Wichtigeres zu tun, als sich um die
Erhaltung des von Wind und Wetter allzeit umlauerten Hauses zu kümmern.
Das ist verständlich. Unverständlich aber ist, daß die später für
gründliche Renovierung und längst fällige Modernisierung
bereitgestellten Gelder von ehrgeizigen Funktionären zweckentfremdend
verwendet wurden. So machte die "turistica chata", wie das
Liechtensteinhaus jetzt prosaisch hieß, 1968 in seinem silbergrau
verwitterten Holzkleid und dem rosafarbenen Eternitdach einen sehr
heruntergekommenen, wenn auch für unsere Möglichkeiten keineswegs
irreparablen Eindruck. Begrüßt wurde man in dem für heutige
Verhältnisse nur wenig Bequemlichkeit bietenden und trotzdem
anheimelndem Bau in reinstem Hamburgisch: Der Wirt Otto Novak und seine
Frau stammten von der Waterkant. Beide haben auch manchen Grafschafter
umsorgt, der, von Heimweh getrieben, wenigstens einen Blick in die
Heimat werfen wollte. Vor allem haben sie alles in ihren Kräften
stehende getan, um den Verfall aufzuhalten und die Schließung zu
vermeiden -umsonst. Mitten in der Saison 1968 erschien der
Liquidationsbeamte. Wenig später holen Laster das Mobiliar ab.
Aber damit war die Geschichte der Baude noch
nicht zu Ende "Ein Schlußakt krönte das Trauerspiel sozialistischer
Planwirtschaft. Binnen Jahresfrist war das verlassene Haus erbrochen
und grauenhaft demoliert. Dennoch entschloß sich eine Brünner Firma im
Herbst 1969, es wieder herzurichten. 30 Soldaten arbeiteten fieberhaft
daran, und schon zu Silvester sollen Gäste oben gefeiert haben. Im
Sommer 1970 aber gab die Firma nach weiteren Investitionen die Baude
wieder auf und transportierte ihre Sachen ab. Eine trinkfreudige
Wächterin, die niemand die Tür öffnete, wurde am 1. November 1970 von
einem Wirt abgelöst. Doch dieser mußte im Frühjahr 1971 den nunmehr
endgültigen Schließungs-und Abreißungsbefehl entgegennehmen. Man fing
wohl sogleich mit dem Abbruch an, unterbrach ihn jedoch und ließ alles
liegen.
Noch 1991 kann man die zusammengeschobenen Balken und Bretter weiter
unterhalb liegen sehen. Im Keller ist noch eine WassersteIle der
Marchquelle in Betrieb und einige rostige Bettgestelle und Klappstühle
geben Kunde davon, daß einst hier oben ein Berghotel die Wanderer zu
Rast, Einkehr und Erholung eingeladen hat. Geblieben sind die
Winterstürme und der starre Frost; geblieben ist die Natur, die daraus
immer wieder zu neuem Leben und Blühen erwacht; geblieben ist der
herrliche Rundblick auf die Bergketten der Ostsudeten.
Geblieben sind auch viele der Brünnlein, deren
kaltes Gebirgswasser noch immer in eins der drei Meere fließt. Die
letzte Strophe unseres Volksliedes "Und in dem Schneegebirge ... "
endet mit den Zeilen: ... "so kehrst du auch nicht wieder,
Herzallerliebster mein" Zufall oder Sehergabe des Volkes aus Schlesien?
Quellen:
Grafschafter Bote Nr. 7/8 1972. Jürgen Schölzel-Standhaft und treu/
Marx Verlag. Vom Schneeberg zur Hohen Eule! Marx Verlag. Zeitschrift
Altvater 5/1959
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